"Ja, es ist richtig: Für Menschen, die viele Jahre nicht am Erwerbsleben teilgenommen haben, ist es häufig sehr schwierig, den Schritt zurück ins Berufsleben zu bewerkstelligen. Ein Vorschlag ist daher, für diejenigen, die besonders arbeitsmarktfern und somit nur sehr schwer durch die klassischen Instrumente zu erreichen sind, eine besondere Perspektive zu schaffen. Hierbei sollte es in einem ersten Schritt darum gehen, den Menschen über Teilhabe feste Tagesstrukturen, soziale Anerkennung, soziale Bindungen und wichtige soziale Kompetenzen zurück zu geben.
Teilhabe heißt dabei nicht Teilnahme am regulären Arbeitsmarkt, sondern Tätigkeiten in marktfernen, hauptsächlich ehrenamtlichen Bereichen, von denen ein Nutzen für das Gemeinwohl ausgeht. Die öffentliche Hand kann viele dieser Aktivitäten nur begrenzt unterstützen, sie sind aber für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft eminent wichtig: Nachbarschaftshilfen etwa, das Engagement für den Umweltschutz, kulturelle Aktivitäten von freien Theaterprojekten bis hin zu Karnevalsvereinen, Vereinssport auf der Amateurebene und vieles andere mehr. Hinzu kommen Tätigkeiten für die öffentliche Infrastruktur, für die es keine Mittel gibt: Etwa für Kiezläufer, die Probleme von Sicherheit und Sauberkeit melden, im Quartiersmanagement, in der niedrigschwelligen Nachbarschaftshilfe. Das ist, anders als die bisherigen Arbeitsgelegenheiten, gerade nicht auf eine schnelle Integration in den ersten Arbeitsmarkt angelegt, sondern hat ausschließlich den Aspekt der Teilhabe zum Gegenstand.
Der Anreiz für den Langzeitarbeitslosen bestünde neben der Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe in zusätzlichen Leistungen etwa in Form von kostenloser Nutzung des ÖPNV oder einer Mehraufwandentschädigung. Darüber hinaus sollten während der Teilhabezeit alle weiteren Aktivierungsmaßnahmen der Grundsicherungsstelle ausgesetzt bleiben. Mit anderen Worten: Er bleibt während dieser Zeit aktivierungs- und sanktionsfrei. Diese Teilhabemöglichkeiten sollten eben nur auf die (unterstützte und begleitete) gesellschaftliche Teilhabe abzielen und nicht auf eine Integration in den Arbeitsmarkt.
Aber auch für die anderen Beteiligten wäre ein solches Teilhabemodell lohnend: Es könnte die ehrenamtliche Arbeit vor allem dort unterstützen, wo keine eigenen finanziellen Mittel vorhanden sind, aber auch für ein Plus an Lebensqualität sorgen. Für den Grundsicherungsträger könnte es eine deutliche Verwaltungsvereinfachung darstellen. Während der Dauer der Teilhabe muss keine Aktivierungsmaßnahmen mehr geplant oder vorgenommen werden. Allenfalls müsste einmal im Jahr ein Gespräch mit dem Grundsicherungsträger stattfinden; die Maßnahme selbst könnte ohne Begrenzung immer wieder verlängert werden. Sie wäre damit praktisch unbefristet, anders als die bisherigen Arbeitsgelegenheiten. Vielleicht ergibt sich durch die Teilhabemöglichkeit der Abbau von Vermittlungshemmnissen und eine reale Perspektive, wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren zu können. Die Kosten wären jedenfalls insgesamt überschaubar, der Nutzen für den Einzelnen und die Gemeinschaft aber erheblich. Der Arbeitsmarkt kann einen Einzelnen vielleicht nicht „gebrauchen“, aber für die Gesellschaft muss gelten: Wir brauchen jeden Einzelnen und wollen, dass er teil hat an der sozialen Gestaltung unserer Gemeinschaft."
Matthias Zimmer, Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales