In Deutschland herrscht in vielen Bereichen Fachkräftemangel – vor allem in handwerklichen Berufen können offene Stellen häufig nicht besetzt werden. Viele Flüchtlinge wiederum suchen Arbeit, für sie sind Ausbildungsstellen echte Chancen, neue Perspektiven für ihr Leben zu schaffen. Eigentlich eine klassische Win-Win-Situation: Dem Fachkräftemangel kann entgegengewirkt und den geflüchteten Menschen Zugang zu Bildung und Arbeit ermöglicht werden.
Um Flüchtlinge, die in Deutschland eine Ausbildung beginnen, vor Abschiebung zu bewahren, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr im Integrationsgesetz die „3+2“-Regelung ins Leben gerufen. Nach dieser Regel dürfen Geflüchtete, die einen Ausbildungsvertrag haben, unabhängig von ihrer Herkunft und dem Status des Asylverfahrens für insgesamt fünf Jahre in Deutschland bleiben – um die in der Regel dreijährige Ausbildung zu absolvieren und im Anschluss weitere zwei Jahre im erlernten Beruf zu arbeiten. Um zu vermeiden, dass Flüchtlinge, über deren Asylantrag bereits negativ entschieden wurde, erst kurz vor ihrer Abschiebung einen Ausbildungsvertrag vorlegen und dadurch neue Verfahren eröffnet werden müssen, ist im Aufenthaltsgesetz ein Zusatz eingefügt – so greift die Duldungsregel nicht, wenn eine „aufenthaltsbeendende Maßnahme“, also etwa eine Abschiebung, unmittelbar bevorsteht. Das Problem daran: Dieser Zusatz kann flexibel ausgelegt werden – ab wann steht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unmittelbar bevor? Durch diese Flexibilität der Regelung, die vom Gesetzgeber ursprünglich nicht intendiert war, können auch Flüchtlinge in Ausbildung in ungünstigen Fällen ohne eigenes Verschulden weiterhin abgeschoben werden.
Diese Praxis ist zum Beispiel aus Bayern bekannt: Hier wurden bereits wiederholt geflüchtete Menschen in Ausbildung abgeschoben, die Duldungsregelung wurde auf Basis der unscharfen Formulierungen umgangen. Auch für Unternehmen, die gerne Geflüchtete einstellen würden, ist die derzeitige Situation ärgerlich. Weder für Geflüchtete noch für Unternehmen, die händeringend Auszubildende suchen, ist die gewünschte Planungssicherheit eingetreten.
Die aktuelle Situation ist für alle Beteiligen unbefriedigend und wird der ursprünglichen Intention des Integrationsgesetzes nicht gerecht.
Es besteht weiterhin Handlungsbedarf, um Planungssicherheit zu schaffen und somit eine Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt sicher gestalten zu können. Auf Landesebene und im Rahmen der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl bieten sich neue Chancen, um an der Verbesserung der Situation zu arbeiten.
Was werden Sie dafür tun?
Hier finden Sie die Antworten von Politiker/-innen und Entscheidungsträger/-innen zum Thema.
[i] https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Kurzanalysen/kurzanalyse5_iab-bamf-soep-befragung-gefluechtete.pdf?__blob=publicationFile