Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
"Alle Kinder haben die Chance auf ein gutes Aufwachsen verdient. Einen entscheidenden Beitrag hierzu leisten gute Kitas. Deshalb gehört in die Orte, denen wir unsere Kleinsten anvertrauen, Spitzenqualität. Doch die Realität sieht oft anders aus: Eine Erzieherin muss gleichzeitig Windeln wechseln, trösten, vorlesen und zwischen Tür und Angel für Eltern ein offenes Ohr haben. Zu viel Lärm, zu wenig Raum, zu wenig Fachkräfte.
Deutschlandweit ist die Betreuungssituation der Kinder in Kindertageseinrichtungen stark unterschiedlich. Dabei ist entscheidend, dass die Fachkräfte genügend Zeit für die Kinder haben, damit sie sich wohlfühlen und individuell gut betreut und gefördert werden können. Auch für Eltern ist es enorm wichtig, wie viele Erzieherinnen oder Erzieher sich um ihre Kinder kümmern. Und für die in der Kindertagesbetreuung beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher ist es maßgeblich, dass sie ihren vielfältigen Aufgaben und besonderen Herausforderungen mit einer guten Personalausstattung auch gerecht werden können.
Es ist gut, dass sich die Große Koalition zum Ziel gesetzt hat, dass sich der Bund endlich für bessere Qualität in den Kitas engagiert. Aber der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung wird gerade beim zentralen Anliegen - der Qualität - seinem Anspruch nicht gerecht.
Ich fordere vor allem zwei Dinge bei der Nachbesserung des Gesetzes. Erstens: Eine bundesweite Fachkraft-Kind-Relation von höchstens 1:4 bei unter Dreijährigen und höchstens 1:9 für ältere Kinder als Ziel im Gesetz festzuschreiben. Dabei sollten Leitungszeiten und Verfügungszeiten (für Elterngespräche, Fort- und Weiterbildung, Ausfallzeiten etc.) ausreichend berücksichtigt werden.
Zweitens: Der Bund soll die dazu notwendigen Maßnahmen zweckgebunden mitfinanzieren.
Und noch eine Bemerkung zu der Beitragsfreiheit. Es ist absolut richtig, dass Eltern entlastet werden. Und die soziale Staffelung von Elternbeiträgen ist wichtig und richtig und fehlt leider an einigen Orten komplett. Auch die Ausweitung der Beitragsbefreiung auf Kinderzuschlags- und Wohngeldempfänger ist überfällig. Qualität gegen Beitragsfreiheit auszuspielen, halte ich für falsch. Dieses Gesetz wurde gemacht, um die Qualität in der Kindertagesbetreuung zu verbessern. Daher sollten die Bundesgelder erst dann für Schritte in Richtung Beitragsfreiheit ausgegeben werden, wenn das Qualitätsniveau erreicht ist.
Damit Erzieherinnen und Erzieher, Eltern und ihre Kinder am Ende nicht die Verlierer sind, muss im parlamentarischen Verfahren dringend nachgebessert werden. Wir fordern deshalb in unserem Antrag „Qualität in der Kindertagesbetreuung verbindlich und dauerhaft sicherstellen“ (Link zum Antrag setzen) klare Zielvorgaben im Gesetz und eine verlässliche Finanzierung, die vor Ort ankommt. Denn: Jedes Kind in diesem Land hat eine gute Kita verdient."
Foto: (c) Stefan Kaminski