Für Langzeitarbeitslose ist es sehr schwer, den Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu finden. Die Bundesregierung will nun mit einem neuen Förderinstrument mehr Möglichkeiten eröffnen.
Trotz des Wirtschaftsaufschwungs in Deutschland und der Durchführung verschiedenster Förderprogramme ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen in den vergangenen Jahren weitestgehend unverändert geblieben. Bis zu 150 000 langzeitarbeitslose Menschen sollen daher über einen „sozialen Arbeitsmarkt“ Zugang zu Arbeit bekommen. Vier Milliarden Euro will die Bundesregierung in die zunächst auf vier Jahre befristete Maßnahme dafür aufwenden. Hiermit können Stellen geschaffen werden, die es auf dem regulären Arbeitsmarkt nicht gibt: Wer bereit ist, eine gemeinnützige Arbeit in Vollzeit aufzunehmen, soll hierfür auf Mindestlohnbasis oder besser bezahlt und sozialversichert werden. Das resultierende Einkommen wäre höher als die Hartz IV-Sätze, die weitere Jobsuche könnte ausgesetzt werden, solange die Tätigkeit ausgeführt wird.
Ist ein sozialer Arbeitsmakt die Lösung?
Stellen, die über einen sozialen Arbeitsmarkt finanziert werden, stellen eine gute Möglichkeit zum Wiedereinstieg in das Berufsleben dar. Allerdings ist es wichtig, die Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt nicht aus dem Blick zu verlieren: Zum einen sind die geplanten gemeinnützigen Tätigkeiten in der Regel nicht mit den Stellenanforderungen in der freien Wirtschaft zu vergleichen und sollen auch gar nicht vergleichbar sein, um einem Wettbewerb mit der Wirtschaft vorzubeugen. Das bedeutet aber auch, dass Langzeitarbeitslose, die durch den sozialen Arbeitsmarkt zurück ins Berufsleben finden möchten, unbedingt durch weitere Maßnahmen begleitet werden müssen, die langfristig einen Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen.
In unserer Gesellschaft ist Arbeit nicht nur Grundlage für finanzielles Auskommen, sondern vor allem auch wichtig für Wertschätzung und Selbstwertgefühl. Damit nicht die Gefahr besteht, dass Menschen, die durch den sozialen Arbeitsmarkt eine Stelle finden, dauerhaft in dieser Zwischenlösung verbleiben, ist es wichtig, den Anreiz zur Bemühung um eine Stelle außerhalb des sozialen Arbeitsmarkts zu fördern. Hierfür wäre es auch notwendig, Stellen auf dem sozialen Arbeitsmarkt zeitlich zu befristen.
Problematisch ist, dass gerade für Menschen, die schon lange nicht mehr am Arbeitsleben teilgenommen haben, eine Vollzeitstelle überfordernd sein kann. Somit ist zu befürchten, dass gerade diejenigen, die besonders auf niederschwellige Hilfen angewiesen sind, von diesem Konzept nicht ausreichend profitieren. Menschen, die mit minderjährigen Kindern eine Bedarfsgemeinschaft bilden, stellen eine wichtige Zielgruppe der Maßnahme dar – trotzdem ist es aufgrund der Förderbedingungen nicht ausreichend gesichert, dass genau diese Zielgruppe auch erreicht wird.
Um später auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen zu können, werden bestenfalls bereits während der Maßnahme Kontakte zu potentiellen Arbeitgebern hergestellt. Daher wäre es notwendig, privatwirtschaftliche Unternehmen für eine Beteiligung zu gewinnen – hier wäre die Möglichkeit zu einem späteren Übergang in den ersten Arbeitsmarkt gegeben.
Es ist wichtig und auch die Aufgabe eines Sozialstaates, diejenigen zu stützen, die aus eigener Kraft nicht ausreichend am gesellschaftlichen und sozialen Leben teilhaben können. Ob die aktuellen Überlegungen der Bundesregierung zielführend sind, bleibt aber fraglich.
Die Fakten auf einen Blick
- Aktuell werden Neuerungen im bestehenden Hartz IV-System diskutiert. Die Bundesregierung plant, für 150 000 Menschen staatlich geförderte Vollzeitstellen im gemeinnützigen Bereich zu schaffen.
- Es muss sichergestellt werden, dass die anvisierten Zielgruppen auch wirklich erreicht werden. Insbesondere bei Bedarfsgemeinschaften mit minderjährigen Kindern besteht Nachbesserungsbedarf.
- Langzeitarbeitslose, die besonders auf staatliche Unterstützung und Förderung angewiesen sind, können durch die Anforderungen einer Vollzeitstelle überfordert und damit als Zielgruppe verfehlt werden.
- Einem bloßen „Parken“ Langzeitarbeitsloser in verschiedenen Programmen muss vorgebeugt werden.
- Primäres Ziel bleibt, den Menschen wieder einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen. Hierfür müssen insbesondere auch Arbeitsgeber gewonnen werden, die auf Dauer einen Übergang von geförderter Arbeit in reguläre Stellen bieten.
- Generell sind die Gründe für lang anhaltende Arbeitslosigkeit sehr verschieden. Es werden zielgruppengerechte Maßnahmen benötigt, um den unterschiedlichen Bedarfen gerecht zu werden. Insbesondere sind begleitende Maßnahmen wichtig, die individuell ausgerichtet werden und Langzeitarbeitslose dabei unterstützen, wieder im Arbeitsleben anzukommen.
Es gibt bereits gute Ansätze!
Individuelle sozialpädagogische Beratung und Betreuung kann helfen, die psychische und soziale Stabilisierung zu fördern und damit die bestmöglichen Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung schaffen.
Der Internationale Bund bietet für Menschen, die sich schon lange in Arbeitslosigkeit befinden, beispielsweise individuelle Coachings an, bei Bedarf auch im Zusammenhang mit Phasen betrieblicher Erprobung. Ziel ist die Annäherung der Teilnehmenden an den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt und nach Möglichkeit ihre dauerhafte berufliche Eingliederung. Hier steht grundsätzlich der einzelne Mensch im Mittelpunkt. Individuelle Vermittlungshemmnisse können konkret und gemeinsam angegangen werden. Das Coaching ist nicht auf den beruflichen Fokus beschränkt, sondern verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz und bezieht die persönliche Situation, die Familie und das Umfeld mit ein.
Potentiale und Stärken sowie Hemmnisse und Hindernisse werden erkannt und die Teilnehmenden in die Lage versetzt, insbesondere die Hemmnisse eigenständig zu identifizieren und abzubauen sowie ein erneutes Auftreten dieser Hemmnisse zu vermeiden.
Wir fordern die Politik auf, zu handeln!
Der Arbeitsmarkt in Deutschland boomt, während gleichzeitig zu viele Langzeitarbeitslose durch zu starre Systeme mit teilweise unpassenden Förderbedingungen nicht optimal bei einer Wiedereingliederung unterstützt werden – was können Sie dafür tun, die Angebote zu verbessern?