Pflege braucht Zeit - Digitalisierung wichtiger Baustein für bessere Arbeitsbedingungen
Der Pflegenotstand ist in der Politik und im Deutschen Bundestag angekommen. Über alle Fraktionen hinweg besteht Einigkeit, dass dringend etwas geschehen muss, um qualitative Pflege in Deutschland zu sichern.
Mehr Stellen in der Pflege sollen geschaffen werden: 8.000 neue Stellen sieht der Koalitionsvertrag vor, Gesundheitsminister Spahn will 13.000 schaffen, Bündnis 90/Grüne fordern 25.000. Das ist weder seriös noch hilfreich, da bereits jetzt 35.000 Stellen bundesweit in der Pflege nicht qualifiziert besetzt werden können.
Statt eines Bieterwettbewerbs um immer neue Zahlen, brauchen wir einen Wettbewerb der Ideen, wie wir mehr Menschen für den äußerst wertvollen Pflegeberuf begeistern können.
Dabei steht und fällt alles mit einer deutlichen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege. Hier müssen wir ansetzen, wenn wir den Pflegeberuf schnell und vor allem nachhaltig wieder attraktiv machen wollen. Ein Schlüssel dazu liegt in der Digitalisierung. Digitale Anwendungen können helfen, Pflegekräfte spürbar zu entlasten und den Menschen wieder in den Mittelpunkt der Pflege zu rücken.
Rund dreizehn Prozent ihrer Arbeitszeit verwenden Pflegekräfte auf Dokumentationspflichten,
acht Prozent auf Logistik – Zeit, die für die Pflege am Bett fehlt. Für mich als Freie Demokratin gehören die Dokumentationspflichten auf den Prüfstand. Sie müssen strukturiert, standardisiert und verschlankt werden. Darauf sollte der Digitalisierungsprozess aufsetzen. Digitalisierung kann aber auch ganz praktisch genutzt werden z.B. mit technikgestützten Hebe- und Tragehilfen, die die körperliche Belastung erheblich reduzieren, bis hin zu Sprachassistenten oder sogenannten „Wearables“, die Körperfunktionen messen oder bei Stürzen Alarm geben.
Wir brauchen ein Investitionsprogramm zur Digitalisierung in der Pflege. Dieses darf sich jedoch nicht allein auf Investitionen in die technische Ausstattung der Einrichtungen beschränken, vor allem müssen wir auch in die Vermittlung digitaler Kompetenzen investieren.
In diesem Zusammenhang irritiert es sehr, wenn gerade die Vermittlung digitaler Kompetenz in der kürzlich endlich vorgelegten Ausbildungs- und Prüfungsordnung zum Pflegeberufereformgesetz überhaupt nicht vorkommt. Ohne digitale Kompetenzen lässt sich jedoch kein zukunftsorientiertes Berufsbild definieren. Der Umgang mit digitalen Anwendungen, die Einschätzung der Bedeutung digitaler Daten sowie Kenntnisse zum umfassenden Datenschutz sollten deshalb zwingend in die Lehrpläne für künftige Pflegefachmänner- und -frauen aufgenommen werden. Außerdem sollte das Berufsbild des Pflegeinformatikers entwickelt werden.
Um die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig zu verbessern, muss dringend mehr zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan werden. Ein Dienstbeginn um 6 Uhr morgens ermöglicht es nicht, das Kind um 8 Uhr in die Kita oder Schule zu bringen. Hier sind die Arbeitgeber gefordert, mehr Flexibilität in die Dienstpläne zu bringen. Denn gerade viele Frauen können es sich aus diesen Gründen nicht erlauben, von Teilzeit in Vollzeit zu gehen.
Mehr als andere Berufsgruppen sind Pflegekräfte durch die hohe physische, aber auch psychische Belastung gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, was viele an einem lebenslangen Verbleib in ihrem Beruf hindert. Die Gesundheit der Betroffenen mehr als bislang zu fördern durch ein umfassendes Gesundheitscoaching ist daher geboten.
Letztlich steht und fällt alles damit, die Anzahl der Menschen, die in der Pflege tätig sind, zu erhöhen. Eine bundesweite Kampagne - ähnlich der der Bundeswehr vor ein paar Jahren – sollte durchgeführt werden, um mehr Menschen in die Pflege zu bringen und gezielt für den Pflegeberuf zu werben. Sie könnte gleichzeitig dazu beitragen, dem Beruf mehr gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen. Pflege braucht Wertschätzung, das muss vielmehr als bisher ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden.
Dennoch wird es nicht ausreichen, im Inland alle Kräfte zu mobilisieren, um mehr Menschen für die Pflege zu gewinnen. Wir sind auf Zuwanderung qualifizierter Kräfte aus dem Ausland angewiesen. Deshalb brauchen wir dringend ein Einwanderungsgesetz, wie es die FDP seit langem fordert.